Man darf nicht stehen bleiben! – ein Interview mit Sebastian Kuse

Für sein Kalenderprojekt „Levitation & Gravitation“ erhielt Sebastian Kuse in diesem Jahr den Jurypreis in der Kategorie „Idee und Umsetzung“. Die Bilder, jedes für sich ein echter Hingucker, sind vor der Frankfurter Skyline entstanden und erlauben einen neuen Blick auf die Metropole.
In unserem Interview erzählt Sebastian Kuse mehr über seine Fotoshootings und Erfolge. Wir sind uns sicher: Auch in Zukunft wird es von ihm noch viele spannende Fotoprojekte und kreative Ideen geben!

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Sebastian Kuse (Copyright: Martin Ly)

Herr Kuse, was hat Sie motiviert, Fotograf zu werden? Können Sie uns ein bisschen was zu Ihrem Werdegang erzählen? Seit wann fotografieren Sie?

Als Fotograf würde ich mich nicht bezeichnen, dieser Begriff sollte in meinen Augen der handwerklichen Qualifikation vorbehalten sein. Ich bin einfach jemand, der gern Fotos macht.

Angefangen hat alles ca. 2012 als ich der Meinung war, es wäre Zeit für ein neues Hobby. Sicherlich war ich mit der Entscheidungsfindung etwas vorbelastet, da ich in meinem Leben hin und wieder indirekt mit Fotografie zu tun hatte. Also bin ich los und hab mir eine Kamera gekauft. Und wie jeder so anfängt, habe ich natürlich erstmal alles fotografiert was mir vor die Linse kam.

Sie bieten Outdoor-Foto-Shootings für Tanzschulen an und lichten dabei unter anderem Ballett-, Breakdance-, Poledance- und Hip-Hop-Tänzer ab. Wie sind Sie dazu gekommen? Was reizt Sie an diesem Thema am meisten?

Es war ebenfalls 2012 als ich mich für dieses Thema zu interessieren begann. Ausschlaggebend war ein Shooting im Bereich Ballett. Ein Model wünschte sich ein Shooting im gleichen Stil des New Yorker Projekts „ballerina project“. Das Thema war Ballett vor urbaner Kulisse. Dies hat mir dann so gut gefallen, dass ich mehr wollte. So schlug ich nach unzähligen Ballett-Shootings die Brücke zu anderen Tanzsegmenten und erweiterte das Thema auf den Sportbereich.

Mittlerweile kann ich auch sagen, was mich daran reizt. Ich denke es ist die Atmosphäre. Nicht das Fotografieren dieser Körperkünstler macht es für mich so besonders, sondern die Atmosphäre die auf den Fotos entsteht. Man muss bedenken, dass die Damen und Herren vor meiner Kamera in den meisten Fällen keine Modelerfahrung aufweisen und dies macht die Fotos so ehrlich. Kein geschönter Blick in die Kamera. Ich schätze es, wenn meine Kunden von Bildern und nicht von Fotos sprechen. Letztlich möchte ich genau das generieren: Bilder.

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Sebastian Kuse: Körperkunst Frankfurt

Sind Sie selbst auch Tänzer oder Sportler und auch mal selbst Teil eines solchen Shootings? Oder bevorzugen Sie eher den Platz hinter der Kamera?

Das habe ich lange hinter mir gelassen, auch wenn ich merke, dass die Füße bei meinen Shootings tanzen wollen. Man wird von der Atmosphäre angesteckt. Vor 20 Jahren habe ich noch aktiv Breakdance getanzt und bin Langstrecken gelaufen, aber wie gesagt, das ist alles etwas her.

Wie lange kann es dauern bis Sie Ihr gewünschtes Motiv so vorbereitet und inszeniert haben, dass es fotografiert werden kann? Übernehmen Sie dabei alle Aufgaben selbst oder arbeiten Sie eher mit einem größeren Team?

Das kommt immer etwas auf die Art des Shootings an. Shootings, bei denen ich nicht explizit gebucht wurde, die also von mir ausgehen, sind relativ unkompliziert. Wir starten an einer Location und machen dort einige Fotos, laufen dann weiter bis ich mir vor einem gesehenen Hintergrund das nächste Foto vorstellen kann und weiter geht’s.
Das Foto an sich entsteht relativ schnell, ist aber auch abhängig von dem Leistungsstand meiner Modelle. Natürlich quäle ich einen Leistungssportler auch vor der Kamera, um das Maximum heraus zu kitzeln. Nur er kennt sein persönliches Höchstlevel und nur er weiß, was er wirklich kann. Hier muss ich meinerseits etwas „pushen“, um das Maximum zum einen zu erreichen und zum anderen zu erkennen.
Natürlich muss ich aber auch sehr vorsichtig sein, da viele meiner Modelle von ihrem Sport oder Tanz leben müssen bzw. können. Eine Verletzung wäre eine Katastrophe. Es ist also eine Gradwanderung zwischen extremen Posen und gesundheitlicher Prävention.

Wie können sich unsere Leser ein solches Shooting vorstellen? Welche Vorbereitung ist bei Ihnen notwendig und welche Vorbereitungsmaßnahmen sollten auch die Teilnehmer treffen? Wie läuft dann ein Shooting-Tag in etwa ab?

Vorbereitungen sind nicht notwendig. Weder von mir, noch von meinen Modellen. Ich möchte keine Shootingatmosphäre bei Menschen entstehen lassen, die mit Shootings eigentlich kaum etwas zu tun haben. Sie bringen in ihrem Leben täglich körperliche Höchstleistungen, warum sollte ich also versuchen diese Ausgangssituation mit Regeln zu zerstören?

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Sebastian Kuse: Ballerinas & Ballerinos

Wie groß ist die Nachfrage? Sind kurzfristige Termine bei Ihnen möglich oder sind Sie häufig schon längerfristig ausgebucht?

Für die Buchungen der Tanzschulen bin ich relativ früh ausgebucht. Ich muss wohl dazu erwähnen, dass ich einem Vollzeitjob als Mediengestalter und Online-Redakteur nachgehe. Mein Urlaub geht für Shootings in diesem Bereich drauf und da ich in den meisten Fällen zwei bis drei Tage gebucht werde, benötige ich immer noch zwei Tage Urlaub für An- und Abreise.
Allein in den letzten sechs Wochen waren es 80 Modelle und eine Meisterschaft, die ich fotografiert habe, da bleibt kaum Luft zum Atmen.
Wenn ich nicht reisen muss, die Shootings also in Frankfurt stattfinden, dann bin ich wesentlich flexibler und kann hier auch kurzfristig etwas anbieten.

Welches sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen in Ihrem fotografischen Bereich?

In meinem speziellen Bereich würde ich sagen, das Improvisieren.
Als Beispiel kann ich die Deutsche Polesport Meisterschaft nennen. Hier treten Athleten an, die unglaublich akrobatische Elemente abliefern und dafür gibt es keinen zweiten Versuch. Es muss einfach sofort alles stimmen und man weiß nie, was als nächstes kommt.
Ähnlich ist es auf der Straße. Wir starten zwar an einer definierten Location, bewegen uns aber kontinuierlich im urbanen Umfeld. Man weiß nie, was alles passiert.

Erzählen Sie uns von Ihrer lustigsten Fotosituation.

Ich lade Ihr Redaktionsteam gern einmal ein, ein Shooting von mir zu begleiten. Ich könnte Bücher mit solchen Geschichten füllen. Ich fotografiere auf der Straße. Was meinen Sie, was dort alles passieren kann, wenn man Menschen sieht, die Backflips machen, die mit sehr wenig Klamotten an einer Pole hängen oder eine bühnentaugliche Ballettchoreografie tanzen? Ich plaudere ungern aus dem Nähkästchen, aber es ist sehr interessant.

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Sebastian Kuse: Körperkunst Polesport

Sie können bereits auf zahlreiche Publikationen und Auszeichnungen stolz sein. Was waren für Sie die wichtigsten Bausteine auf dem Weg zum Erfolg?

Ich! Für mich war es unglaublich wichtig, mir selbst treu zu bleiben und nichts für das Publikum zu machen. Ich selbst bin mein größter Kritiker. Außerdem darf man nicht stehen bleiben. Fleiß ist der wohl wichtigste Punkt.
Als Beispiel möchte ich hier einmal mein Projekt „Mainhattan Ballerinas“ aufzeigen. Es war mein erstes konzeptionelles Fotografieprojekt. 2012 habe ich in sechs Monaten mehr als 500 Arbeitsstunden in dieses Projekt investiert, was übrigens so nur durch meinen damaligen Chef zu realisieren war. Er gab mir die nötigen Freiräume. Ansonsten wären 500 Arbeitsstunden neben einem Vollzeitjob und einer Beziehung nicht möglich, denke ich. Das Resultat war eine große mediale Rückmeldung mit Zeitungsberichten und einem Fernsehbeitrag. Mit 20 Arbeitsstunden wäre ich sicher nicht an diesen Punkt gekommen.

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Sebastian Kuse: Levitation & Gravitation

Ihr Kalenderprojekt „Levitation und Gravitation“ wurde in diesem Jahr mit dem CALVENDO-Jurypreis in der Kategorie „Idee und Umsetzung“ ausgezeichnet. Können Sie uns etwas mehr zu diesem Projekt erzählen?

Das Projekt entstand vor ca. zwei Jahren als ich, gelangweilt von den immer gleichen Skyline-Fotos, auf einer Frankfurter Facebook-Seite die Klappe mal wieder zu weit aufriss. Ich war der Meinung, dass Frankfurt auch anders sein kann und dass Skyline auch anders aussehen kann. Als Antwort kam natürlich: „Dann mach´s doch“. Und dann hab ich es einfach gemacht.

Mit der Zeit ergeben sich ja viele Kontakte in der Sportszene und so bekam ich relativ schnell einen Kontakt zu Trampolin-Turnern vom Olympiastützpunkt in Frankfurt. Ich besprach die Shooting-Möglichkeiten direkt am Main vor der Frankfurter Skyline. Die Jungs und Mädels waren ziemlich begeistert und gaben alle Vollgas. Es war für mich das wohl aufwändigste Shooting. Ein Lieblingsfoto aus der Serie ist definitiv der kopfstehende Anzugträger.

Warum haben Sie auch Kalender als Veröffentlichungsart für Ihre Fotos gewählt? Was gefällt Ihnen an dieser Möglichkeit des Publizierens am meisten?

Ich habe einmal gesagt: „Ich möchte nicht, dass meine Fotos in irgendwelchen Küchen hängen“. Nun ja, das war wohl nichts. Ich suchte damals etwas, was ich meinen Fans (so nennt man sie auf Facebook) zu einem kleinen Preis mitgeben konnte und dafür eignen sich Kalender oder Fliparts in meinen Augen am besten.

Sebastian-Kuse_Levitation-und-Gravitation_Sebastian Kuse: Levitation & Gravitation

Was gefällt Ihnen an Calvendo? Was ist Ihrer Meinung nach verbesserungswürdig?

Unkompliziert direkt in den Handel!

Welche Tipps können Sie anderen Fotografen / Kreativen geben? Wovon raten Sie aufgrund Ihrer Erfahrungen ab?

Ich denke so etwas wie Themen darf man nicht suchen, das muss einfach kommen. Wenn ich eine Idee suche, dann kann ich sie nicht entwickeln. Wenn ich eine Idee habe, dann ist sie bereits entwickelt.
Mir selbst ist es am wichtigsten „Mein Ding“ zu machen und ich denke, das sollte jeder. Gerade im Augenblick gibt es in Frankfurt wieder einen Fotografen, der auf Teufel komm raus versucht, meine Fotos nachzustellen und nicht einmal davor zurückschreckt, sich der gleichen Modelle zu bedienen. Das meine ich mit „nicht suchen“. Ich glaube so jemand wird sich nicht weiter entwickeln, weil er eine Vorlage besitzt und davon rate ich ab.

Mein Tipp: Wenn ihr eine noch so komische Idee habt, setzt sie um! Entwickelt euch und schaut nicht was andere machen.

Welche Projekte sind bei Ihnen noch in Planung? Worauf können sich Ihre Fans freuen?

Ich habe mich in der letzten Zeit sehr viel der Polesport-Fotografie gewidmet. Diese werde ich jetzt wieder etwas zurückstellen und wieder komplexer in meinen Themengebieten werden. Es wird wieder mehr Abwechslung geben, also wieder verschiedene Sportarten und Tanzstile.

Mehr Informationen zu Sebastian Kuse:

Websites: www.sebastiankuse.com und www.polesport-fotografie.de

500px: https://500px.com/sebastiankuse-photographer

Pinterest: https://de.pinterest.com/sebastiankusefo/

CALVENDO-Galerie: https://www.calvendo.de/galerie/autor/sebastian-kuse-photographer

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Sebastian Kuse: Körperkunst Polesport

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