Was sind gute und was sind schlechte Bilder?

Was sind gute und was sind schlechte Bilder? Das liegt wohl im Auge des Betrachters – doch stimmige Bilder zu machen ist eine Herausforderung. Mithilfe der neuen Bildbewertungsplattform von seen.by können Fotografen sich ein professionelles Feedback zu ihren Fotografien einholen.

Ein Interview mit Lisa Rossbach und Georg Banek von bildbewertungen.de

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Herr Banek, was ist Ihr fotografischer Hintergrund?

Georg Banek: Ich fotografiere seit 30 Jahren mit enormer Leidenschaft. Dabei entwickle ich mich kontinuierlich weiter. Alles fing mit der Frage an: „Warum zum Teufel sind die Bilder von anderen so beeindruckend – und meine eigenen nicht?“. Um mir selbst diese Frage beantworten zu können, habe ich jahrelang viele Tausende Bilder analysiert und verglichen, um die Unterschiede im kleinsten Detail zu sehen und ihre Wirkung zu verstehen.

Und was haben Sie aus der intensiven Bildanalyse gelernt?

Banek: Als ich die Zusammenhänge zwischen Gestaltung und Wirkung immer besser verstanden habe, konnte ich nicht nur selber stärkere, stimmigere Bilder machen, ich hatte auch Strukturen und Worte, um es anderen Fotografen zu erklären. Seit 20 Jahren gebe ich mein Wissen weiter – in Hunderten von Fotokursen, Vorträgen, Videos, über 150 Zeitschriftenartikeln und aktuell 22 Lehrbüchern, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Aber auch heute bin ich immer noch konstruktiv unzufrieden mit meinen Bildern. Denn wenn ich irgendwann mit meinen Bildern zufrieden wäre, wäre der Anreiz weg, besser zu werden – und meine Bilder würden aufhören, zu suchen, zu leben.

War das auch der Anreiz für Sie Bilder zu bewerten?

Banek: Ich analysiere und bewerte Bilder von Anfang an. Zuerst waren es meine eigenen Bilder, die ich nebeneinander auf den Tisch gelegt habe. Recht schnell stach das eine oder andere davon positiv heraus. Meine Neugierde ließ mich nicht ruhen, ehe ich nicht rausgefunden hatte, in welchen Details sich dieses eine Bild von anderen, ähnlichen Fotos unterschied und warum es ausdrucksstärker, stimmiger wirkte. Später habe ich mir natürlich auch fremde Bilder angesehen und festgestellt, was an diesen gelungen oder weniger gelungen war. Was mich dabei antrieb – und immer noch antreibt – ist der Wunsch, Bilder nicht nur verstehen, sondern auch erklären zu können. Das muss daran liegen, dass ich ein Kopfmensch bin. Mittlerweile sind meine Augen in dieser Hinsicht extrem gut trainiert.

Frau Rossbach, Sie sind Kuratorin der Online-Fotografieplattform seen.by und erleben daher sehr unterschiedliche Qualität bei den Bildern Ihrer Fotografen. Sollen die Bildbewertungen ein Weg sein allen Niveaus gerecht zu werden?

Lisa Rossbach: Das würde ich so nicht unbedingt sagen. Natürlich tendieren jene Fotografen, die von unserem Kuratorium bereits abgelehnt wurden, dazu ein Feedback bzw. eine Begründung zu verlangen. Dennoch sieht man bei den Bildbewertungen, dass überwiegend ambitionierte Fotografen  ‚gute’ bis ‚sehr gute’ Bilder einreichen und sich mithilfe des Feedbacks weiterentwickeln möchten. Bei unseren Bildbewertungen geht es nicht nur um technische Verbesserungsvorschläge sondern auch um gestalterische und kompositorische Möglichkeiten.

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Herr Banek, Sie haben als Fotograf und Autor bereits mehrere Fachbücher publiziert und betreiben darüber hinaus eine Akademie für ambitionierte Fotografen – welche Rolle spielt dabei die Auswahl und Bewertung von Bildern?

Banek: In meinem beruflichen Alltag ist die gezielte Auswahl von Bildern an vielen Stellen ein ganz zentraler Bestandteil. Darüber hinaus habe ich schon oft in Jurys für diverse Fotowettbewerbe gesessen. Mir ist allerdings schnell klar geworden, dass es nicht DAS gute Bild gibt – und auch nicht geben kann. Denn eine Bewertung hängt immer an der jeweiligen Funktion, die ein Foto erfüllen soll.

Welche Funktionen zum Beispiel?

Banek: Nicht jedes Bild ist z.B. als Buchcover geeignet. Und in Deutschland braucht dasselbe Buch ein anderes Cover als in China. Ein wunderschönes Blumenfoto aus dem letzten Urlaub kann vielleicht ein toller Wandschmuck sein oder in einem Fotowettbewerb den ersten Platz machen. Aber wenn es mich sein Anblick nicht wieder in mein Urlaubsland versetzt, ist es als Erinnerungsbild vollkommen unbrauchbar. Ein Bild, das einen Galeristen in höchste Verzückung versetzt, weil er es als Kunst für viel Geld verkaufen kann, kann von einem eher ästhetisch orientierten Fotografen als misslungen gelöscht werden. Und wenn man die Bildredakteure von ‚Gala’, ‚Vogue’ oder ‚Brigitte’ fragt, was ein für ihr jeweiliges Heft gelungenes Bild ist, erhält man sehr unterschiedliche Aussagen.

Frau Rossbach, wie gehen Sie bei seen.by mit solchen funktionalen und geschmacklichen Unterschieden bei Bildern um?

Rossbach: Wir wechseln unser Team im Kuratorium ständig durch um eine möglichst hohe Variabilität in die Auswahl zu bringen. Nur so können wir unter anderem auch gewährleisten, dass Fotografen mehrere Chancen haben Ihre Bilder einzureichen und womöglich auch von unserem Kuratorium akzeptiert zu werden. Von guten oder schlechten Bildern würde ich dabei auch nicht sprechen, uns geht es vielmehr darum, ob uns ein Bild fasziniert, egal in welcher Form. Es kann sein, dass ein Kurator Bildunschärfen als künstlerisches Stilmittel, ein anderer als technische Schwäche erkennt und demnach entsprechend unterschiedlich bewerten.

Können Fotografen dann überhaupt auf etwas achten, wenn sie ein Bild einreichen oder ist es letztendlich eine Glückssache?

Rossbach: Natürlich machen unsere Kuratoren die Bildauswahl nicht nur frei nach ihrem Geschmack – dadurch wollte ich nur verdeutlichen, dass unterschiedliche Stilrichtungen und Bildsprachen in unserer Galerie ermöglicht werden sollen. Zu den allgemeinen Auswahlkriterien gehören unter anderem technische Qualität, eine ausgewogene Komposition, eine individuelle Bildsprache und starke Motive.

Bei der Masse an Fotografen und Bildern ist es schwer sich abzuheben und um so wichtiger eine eigene Handschrift zu wahren. Ist das ein Ziel Ihrer Bewertungen auch einen kennzeichnenden Stil eines Fotografen hervorzubringen?

Banek: Nein, das halte ich für vermessen. Jeder Fotograf hat seine ganz eigene Art, zu fotografieren, bei der keine richtig oder falsch ist. Und nur aus der jeweils ganz eigenen Sicht auf die Motive entsteht der eigene Stil, den will ich gar nicht beeinflussen. Das Ziel meiner Bewertungen ist vielmehr, zu helfen, die Gestaltung jeweils besser auf das gewünschte Ziel auszurichten.

Rossbach: Das sehe ich auch so. Sicher sollen unsere Bildbewertungen Fotografen helfen ihre Stärken zu erkennen und somit einen eigenen Stil selbständig entwickeln zu können, aber den Weg dorthin werden die Fotografen mit der Zeit durch Ihre Weiterentwicklung selber finden.

Copyright: Juste PixxCopyright: Juste Pixx

Welche Fehler tauchen immer wieder bei Bildern auf?

Banek: Der häufigste Fehler ist sicherlich, sich nicht für ein Motiv zu entscheiden. Das menschliche Auge in Zusammenarbeit mit dem Gehirn arbeitet ganz anders als die Kamera. Wir sind in der Realität in der Lage, sehr komplexe Situationen zu ordnen, Störendes auszublenden und einzelne Details miteinander in Beziehung zu setzen. Bei Bildern muss der Fotograf diese Aufgabe leisten, aufräumen und entscheiden, was für das Bild noch wichtig ist – und was nicht.

Dann gibt es natürlich noch jede Menge Unstimmigkeiten in der Bildgestaltung. Nur ganz bestimmte Motive verkraften es, wenn sie genau mittig platziert werden. Zu unruhige Hintergründe oder eine chaotische Linienführung verwirren den Betrachter. Nicht zuletzt werden bestimmte Gestaltungsmittel wie Goldener Schnitt oder Drittelung für sehr viele Motive verwendet, bei denen sie die gewünschte Wirkung stören.

Bilder können durch Nachbearbeitung bis zur Perfektion optimiert werden. Ist es aber nicht vielmehr die Idee oder das Konzept, das hinter einem Bild steckt als die perfekte Fotografie, die es spannend macht?

Banek: Auf jeden Fall! Das ist wie im Kino. Perfekte Special-Effects alleine bringen keinen Film hervor, den man sich immer wieder gerne ansieht. Dazu gehören auch gute Schauspieler und vor allem eine spannende Story. Ein spannendes, aufregendes und interessantes Motiv verkraftet auch ein paar Unstimmigkeiten bei der Gestaltung und der Technik. Aber ein noch so technisch perfektes und exzellent gestaltetes Foto, dessen Motiv beim Betrachter nicht zündet, bleibt langweilig und blutleer.

Mit der Nachbearbeitung kann ich zwar alle drei Ebenen der Fotografie – Motiv, Gestaltung und Aufnahmetechnik – verändern. Aber aus einem unstimmigen Foto kann ich nur ganz bedingt und mit extrem viel Aufwand ein halbwegs ansehnliches Bild machen. Deswegen kommen bei mir nur die wirklich guten Bilder überhaupt in die Bearbeitung und ich setze alles daran, schon bei der Aufnahme möglichst alles stimmig zu sehen und zu gestalten.

Rossbach: Übermäßige Nachbearbeitung kann die Bildwirkung völlig zerstören oder tatsächlich zum Motiv beitragen. Nachbearbeitung sollte meiner Meinung nach auch mehr als ein künstlerisches Mittel und weniger als Optimierungswerkzeug gesehen werden. Je nach Bildaussage kann eine starke Bildbearbeitung bis hin zur Abstraktion des Bildes sogar notwendig sein. Kleine Korrekturen hingegen an einer technisch einwandfreien Naturaufnahme zum Beispiel dienen höchstens zur Hervorhebung von Details oder Korrektur der Farben. 

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