Die wunderbar inszenierten Menschenfotografien der renommierten Fotokünstlerin und Fotografien Jamari Lior sind wahre Kunstwerke und ziehen immer wieder neue Fans in ihren Bann.
Wir freuen uns ganz besonders, dass wir mit Jamari Lior ein Interview führen durften und mehr über sie, ihr kreatives Schaffen und ihre interessanten Blickwinkel auf die Welt der Fotografie erfahren durften.
Jamari Lior (Copyright: Fotoakademie Bonn)
Liebe Frau Lior, Sie sind seit mehreren Jahren als Fotokünstlerin und Fotografin tätig. Können Sie unseren Lesern ein wenig über Ihren Werdegang erzählen? Wie sind Sie zur Fotokunst und Fotografie gekommen?
Die Fotografie begann für mich in Südindien. Ich war damals 17 Jahre alt und meine Familie hatte Patenkinder dort, mit denen man sich Briefe schrieb, aber keiner von uns war dort gewesen. Ich war neugierig und beschloss, verlängerte Sommerferien in Kinderheimen Chennai (ehemals Madras), Bangalore und Hubli zu verbringen. Um mir den Aufenthalt zu finanzieren, verkaufte ich unserer städtischen Zeitung im Vorfeld eine Artikelserie – „bitte mit vielen Fotos“, wünschte sich der Chefredakteur.
Ein Jahr später schrieb ich mich u.a. für Medienwissenschaft an der Uni Trier ein. Dabei geht es jedoch weit weniger um die Praxis, als um die Medienanalyse. Ich bin also von Ausbildung her Theoretikerin. Medienwissenschaft und Visual Communication studierte ich auch im Ausland, wieder in Indien und in den Niederlanden und promovierte später mit einem fotobezogenem Thema in Medienanthropologie.
Neben dem Studium absolvierte ich noch eine journalistische Ausbildung über ein Stipendium und begann mit dem Modeln – letzteres per Zufall. Bei einem weiteren Indienaufenthalt wurde ich als Schauspielerin „entdeckt“ und habe in einem Kinofilm mitgespielt.
Von da ging es in eine Modelagentur, wo ich trotz meiner Körpergröße von nur 165 cm Laufstegerfahrungen sammelte, mein für südindische Verhältnisse exotisches Äußere mit relativ heller Haut und braunen Haaren sicherte mir die Jobs.
Allerdings haben mich Schauspiel und Laufsteg weniger fasziniert als die Fotografie mit ihrer Komprimiertheit.
Zurück in Deutschland modelte ich eine Weile vor der Fotokamera, bis ich die Seiten wechselte und begann, selber Fotos zu machen.
Meine Motive ergeben sich aus dieser Geschichte: Ich bin, ausgerüstet mit der für meine Bereiche perfekten Nikon D810, in der inszenierten Menschenfotografie und der ethnologischen Dokumentarfotografie unterwegs. Neben dem aktiven Fotografieren arbeite ich in der Lehre, an einer Uni, einer FH, an Fotoakademien und mit regelmäßigen Kolumnen in Fotozeitschriften wie der PICTURES und der DOCMA.
Jamari Lior: phantasie baroque – Träume vergangener Welten
Was fasziniert Sie an der Fotografie?
Fotografie fasziniert mich auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Im Prozess ist die Zusammenarbeit mit verschiedenen Menschen, dem Model, der Visagistin, dem Assistenten etc. spannend, weil viel kreatives Potential zusammenkommt und Fotografie für die Akteure sehr verschiedene Aufgaben von ästhetischer Befriedigung bis zu Eigentherapie erfüllt.
Am Bild selber beeindruckt mich seine Abwesenheit, der dargestellte Moment ist räumlich und zeitlich abwesend. Besonders interessant wird das, wenn man inszeniert und sich dabei noch auf eine vergangene Zeit beruft, also z.B. etwas Barockes, oder einen fernen Ort.
Welches sind Ihre Themenschwerpunkte? Was gefällt Ihnen an diesen Themen am meisten?
Ethnologische Dokumentarfotografie soll mit Bildern etwas über die jeweilige Kultur, oder besser über die Wahrnehmung des Fotografens bezogen auf die Kultur, aussagen. Das kombiniert meine beiden Interessen.
Inszenierte Menschenfotografie erlaubt es, sich mit einer Vielzahl von Themen beschäftigen zu können von reiner Formensprache bis zu historisch oder mythologisch inspirierten Themen.
Was macht für Sie ein gutes Foto aus?
Je nach Motiv ist das ganz unterschiedlich – mal die perfekte Linienführung oder die perfekte Schönheit, aber mal auch gerade das Unperfekte.
Jamari Lior: romantica
Wie würden Sie Ihre persönliche Handschrift beschreiben? Welcher Linie folgen Sie?
Ich würde sagen, dass ich keine allzu persönliche Handschrift habe, da ich mich – gerade auch um in der Lehre nicht zu eng aufgestellt zu sein – verschiedenen Stilen widme.
Typisch für mich ist aber sicher, dass ich mit Kontrasten vorsichtig umgehe und Hell-Dunkel-Unterschiede sehr bewusst zur Lenkung des Blicks einsetze. In der inszenierten Menschenfotografie ist mir ein harmonisches Posing wichtig, wozu z.B. eine elegante Handhaltung zählt, die die Person eher umrahmt als Aufmerksamkeit auf sich selbst zu ziehen.
Welche Ansprüche stellen Sie an Ihre Arbeit als Fotokünstlerin und Fotografin? Was treibt Sie an?
Die Ansprüche variieren je nach Thema – aber eines meiner Basismotive ist, Langeweile aus dem Weg gehen zu wollen. Und Fotografie ist das abwechslungsreichste, das ich mir vorstellen kann – unterschiedliche Gesichter, Locations, Stylings, unterschiedliche visuelle Reize, aber auch unterschiedliche Geschichten der beteiligten Menschen.
Wo holen Sie sich Ideen und Inspiration?
Mythologie, Malerei und Musik sind meine besten Inspirationsquellen. Gerne lasse ich mich aber auch von bestimmten Orten und Atmosphären inspirieren.
Jamari Lior: phantasie baroque – Träume vergangener Welten
Sie sind eine sehr gefragte Fotokünstlerin und Fotografin. Ihre Fotos sind in zahlreichen Medien und auf unterschiedlichen Kanälen zu finden. Sie bieten Workshops an, halten Vorträge, organisieren Ausstellungen, schreiben Bücher und sind selbst im In- und Ausland als Model und Fotografin tätig. Für Ihre Arbeit haben Sie bereits einige renommierte Auszeichnungen erhalten. Was sind und waren für Sie die wichtigsten Bausteine auf dem Weg zum Erfolg?
Bei der inszenierten Menschenfotografie verfüge ich über Erfahrungen vor und hinter der Kamera, so dass ich eine recht umfassende Perspektive habe.
Für die Dokumentarfotografie war das Studium der Ethnologie sicher relevant – auch die zahlreichen Diskussionen und Begriffsreflektionen mit meinen Kollegen, etwa die Fragen, wo Inszenierung beginnt und wie man zu wirklich repräsentativen Bildern gelangen kann.
Im Bereich der Lehre ist es sicher interessant, dass ich meist nicht intuitiv arbeite. Das führt nicht dazu, bessere Bilder als meine intuitiv arbeitenden Kollegen zu machen, aber dazu, dass ich artikulieren kann, warum ich was wie arrangiere – es also erklären kann.
Insgesamt ist es mir sehr wichtig, immer wieder mit anderen Fotografen zusammenzuarbeiten, mich damit auch auf andere Themen und Stile einzulassen. In meinem Buch „Inszenierte Peoplefotografie“ stelle ich tolle Kollegen mit ganz unterschiedlichen Foto- und Bearbeitungstechniken, mit ganz unterschiedlichen Motivvorlieben und vor allem mit ganz unterschiedlichen Motivationen vor.
All sie kenne ich persönlich und habe mehrmals mit ihnen zusammengearbeitet. Die Arbeit an diesem Buch hat mir sehr viel Freude gemacht und mir selbst noch einmal vor Augen geführt, wie vielseitig die inszenierte Menschenfotografie ist.
Jamari Lior: romantica
Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen und Hürden, die Fotografen und andere Kreative in der heutigen Zeit zu meistern haben?
Zu überleben – so ganz einfach ist das für Kreative nicht, wenn man mit oft sehr ambitionierten Hobbykünstlern konkurrieren muss, die keinen Zeit- oder Geldzwang haben. Aber es ist möglich.
Gibt es Entwicklungen im fotografischen Bereich, die Sie mit großer Sorge beobachten? Und anders herum: Gibt es Entwicklungen, die Sie außerordentlich begrüßen?
Social Media finde ich etwas zweischneidig – aber ich konzentriere mich lieber auf die positiven, als auf die negativen Seiten.
Bei CALVENDO haben Sie bisher zwei eindrucksvolle Kalender veröffentlicht. Warum haben Sie auch Kalender als Veröffentlichungsart für Ihre Fotos gewählt? Was gefällt Ihnen an dieser Möglichkeit des Publizierens am meisten?
Ich finde es toll, dass ich hier eigene Gestaltungsmöglichkeiten habe, also selber die Bilder auswählen und platzieren kann und bei Bedarf professionelle Tipps vom Team bekomme. Außerdem kann ich rasch und flexibel auf die Anregungen meiner Fans eingehen, wenn z.B. ein Kalender aus einem bestimmten Bereich gewünscht wird.
Was steht bei Ihnen in den nächsten Monaten an? Worauf können sich Ihre Fans freuen?
Zurzeit ist eines meiner Lieblingsmotive meine kleine Tochter, die Ende September geboren wurde. Daher arbeite ich mich auch in die Babyfotografie weiter ein.
Außerdem steht im nächsten Jahr eine Fotoreise über Tourvital nach Indien an, auf die ich mich gerade vorbereite. Fotointeressierte werden zu den spannendsten Locations gebracht, erhalten je nach Wunsch intensiven Fotounterricht, es gibt eine Prise Theorie zur indischen Kultur und auch Modelshootings sind geplant.
Liebe Frau Lior, wir bedanken uns sehr herzlich für dieses Interview und die Bereitschaft, Ihre Erfahrungen mit unseren Lesern zu teilen, die mit Sicherheit für viele eine wunderbare Inspiration sind. Für Ihre weiteren Projekte wünschen wir Ihnen viel Erfolg und alles Gute. DANKE!
Jamari Lior: romantica
Weiterführende Informationen zu Jamari Lior finden Sie hier:
Website: https://www.jamari-lior.com
Facebook: https://www.facebook.com/JAMARI.LIOR.PHOTOGRAPHY
Model-Kartei: https://www.model-kartei.de/sedcards/fotograf/648/jamari-lior
CALVENDO-Produktgalerie: https://www.calvendo.de/galerie/autor/96928